News & Fachbeiträge

Die Rechtsprechung definiert regelmäßig die einzelnen gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere im IT-Recht und Datenschutz, aber auch in anderen Rechtsgebieten, müssen die Gerichte die Gesetze den ständigen Weiterentwicklungen anpassen und zum Teil neu definieren. Wir verfolgen die Rechtsprechung und geben unseren Mandanten praktische Hinweise zur Umsetzung.

 

In unseren News/Rechtstipps stellen wir regelmäßig eine Auswahl von diesen rechtlichen Entwicklungen für Sie zusammen.

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Gesetzesänderungen 2022 – was ist wichtig?

Ab 2022 ändern sich einige Gesetzesvorschriften. Einige Änderungen sind bereits seit Ende 2021 in Kraft, andere treten Mitte 2022 in Kraft.

 

Im folgenden Beitrag informieren wir Sie über die aus unserer Sicht relevanten Änderungen des deutschen Gesetzgebers. Sie erfahren, was sich ändert und in einem ersten Überblick, ob und welche Handlungen erforderlich sind.

Handlungsbedarf – was ist bereits gültige Gesetzeslage?

Verbraucherschutz-Regeln

Einige Neuerungen des deutschen Gesetzgebers sind bereits Anfang Oktober bzw. Anfang Dezember 2021 in Kraft getreten.


Dazu zählt § 308 Nr. 9 BGB nF (neue Fassung), der ab sofort den Ausschluss der Abtretbarkeit von Geldforderungen in AGB verbietet. Hintergrund ist, dass es Verbrauchern erleichtert werden soll, Gewährleistungsansprüche gegen Unternehmen über Legal-Tech-Unternehmen geltend zu machen. Ein Ausschluss in den AGB der Unternehmen, dass solche Forderungen nicht an Legal-Tech-Unternehmen abgetreten werden dürfen, ist jetzt unwirksam.


Eine weitere verbraucherfreundliche Regelung enthält der neu gefasste § 309 Nr. 9 BGB nF: Er bestimmt, dass Verträge über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit mit der Frist von einem Monat gekündigt werden können.


Tipp: Überprüfen Sie Ihre AGB!


Ebenfalls neu – zum 1.12.2021 – sind neue Regelungen zum Pfändungsschutz-Konto (P-Konto). Diese finden sich ab sofort in den §§ 899 ff. ZPO . Neu ist unter anderem, dass nun auch ausdrücklich ein existierendes Konto mit einem negativen Saldo in ein P-Konto umgewandelt werden kann. Auch die Rückumwandlung eines P-Kontos in ein Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz durch dessen Inhaber gegenüber seiner Bank ist möglich.


Für Kreditinstitute gilt, dass sie P-Kontoinhaber ab sofort über das im laufenden Kalendermonat noch verfügbare und von der Pfändung nicht erfasste Guthaben und den Betrag, der mit Ablauf des laufenden Kalendermonats nicht mehr pfändungsfrei ist, informieren müssen.

Was ist wichtig im B2B-Bereich? Wettbewerbsrecht!

Seit 1.12.2021 gelten im Wettbewerbsrecht leichte Verschärfungen dahingehend, dass die Anspruchsberechtigung auf Beseitigung und Unterlassung bei unzulässigen geschäftlichen Handlungen nur noch Mitbewerbern zusteht, die Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen.


Zudem müssen rechtsfähige Verbände laut § 8 Abs. 3 UWG ab sofort eine erhebliche Zahl entsprechender Unternehmen vertreten, um Ansprüche geltend zu machen. Dies können neuerdings auch Gewerkschaften, soweit sie Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen erfüllen.

Welche Änderungen hat der Jahreswechsel mit sich gebracht?

Pünktlich zum Jahreswechsel, also zum 1.1.2022, sind weitreichende Gesetzesänderungen in Kraft getreten.


Der deutsche Gesetzgeber setzt zwei europäische Richtlinien um:


Die europäische Warenkauf-Richtlinie (Richtlinie EU/2019/771, WKRL), welche die bisher geltende europäische Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie ersetzt, die das deutsche Kaufrecht in den letzten Jahren maßgeblich geprägt hat.


Und die Digitale-Inhalte-Richtlinie (Richtlinie EU/2019/770, DIDRL), die der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung tragen soll.


Das Ziel ist die Angleichung des Kaufrechts im Hinblick auf digitale Produkte innerhalb der EU, um für ein hohes und vergleichbares Verbraucherschutzniveau zu sorgen.

Was ist neu?

Der deutsche Gesetzgeber fügt mit den §§ 327 – 327u BGB nF 22 neue Vorschriften in das BGB ein, die sich auf Verträge über digitale Produkte beziehen.


Letztlich entsteht dadurch ein neuer Vertragstyp, der „Vertrag über digitale Produkte“.


Was regelt dieser neue Vertragstyp?


Digitale Produkte bilden den Oberbegriff für digitale Inhalte wie Computerprogramme, Apps, Audio- und Videodateien und digitale Dienstleistungen, z.B. Streaming-Angebote, Cloud-Speicher, Messenger- und Social Media-Plattformen, aber auch Buchungs- und Bewertungsportale.


Von den Verträgen über digitale Produkte zu trennen sind: Verträge über Waren mit digitalen Elementen. Auch hierzu treten Gesetzesänderungen am 1.1.2022 in Kraft. Darunter fallen gemäß § 475b BGB bewegliche (analoge) Sachen, die digitale Produkte enthalten. Beispiele hierfür sind das Smartphone, die Smartwatch aber auch Haushaltsgeräte wie Saugroboter oder smarte Kühlschränke.


Ein weiterer Unterfall ist der in § 327a Abs. 1 BGB neu geregelte Paketvertrag, der Kombinationsprodukte erfasst, die für sich genommen ihre Funktion auch ohne digitales Extra erfüllen, durch den digitalen Zusatz aber erweiterte Funktionen haben. Beispiele sind der Fernseher einschließlich des Abonnements eines Streaming-Dienstes, die Playstation inklusive eines Spiels, aber auch der smarte Kühlschrank oder das Auto mit Fahrassistent. Kennzeichnend ist, dass die digitalen Produkte einen Zusatz darstellen; das für die Gesamtfunktion erforderliche Betriebssystem ist also nicht erfasst.

Welche Folgen haben die neuen Vertragsregelungen?

Mit den §§ 327 ff. BGB nF hat der deutsche Gesetzgeber auch ein neues Gewährleistungsrecht für digitale Produkte etabliert.


Für Unternehmer maßgeblich ist die Updatepflicht – also die Pflicht, die verkauften digitalen Produkte auf dem aktuellen Stand der Technik zu halten. Wichtig hierbei: die Aktualisierungspflicht gilt für das Verhältnis Verkäufer – Endkunde, nicht Hersteller – Endkunde.


Interessant für Verkäufer ist an dieser Stelle möglicherweise der Entfall der Regressbegrenzung gegen den Hersteller nach fünf Jahren ab Lieferung (§ 445b II 2 BGB), soweit der Endkunde ein Verbraucher ist und digitale Inhalte im Sinne von §§ 327, 327a BGB nF verkauft wurden.


Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag speziell zum Vertrag über digitale Inhalte.


Fakt ist jedoch: Verstößt der Verkäufer gegen die Aktualisierungspflicht, bestimmt § 327 d III Nr. 5 BGB nF, dass es sich um einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB nF handelt.

 

Sachmangelhaft nach § 434 BGB nF – was bedeutet das?

Auch der Sachmangelbegriff aus § 434 BGB nF hat sich geändert: Während es früher maßgeblich darauf ankam, was die Parteien vereinbart hatten, gilt ein Produkt nach dem neuen Begriff auch als mangelhaft, wenn es zwar die vereinbarte Beschaffenheit hat, aber nicht den typischen Anforderungen an ein solches Produkt gerecht wird. Welche Kriterien im Einzelnen zu beachten sind, stellen wir Ihnen im Januar in einer gesonderten Übersicht vor.


So viel sei aber schon vorab verraten: Für Unternehmer wird eine sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung von Bedeutung, die z.B. in den AGB erfolgen kann und beschreibt, was das Produkt nicht kann.

Mängelgewährleistungsrecht auch bei Bezahlung mit Daten

Neu ist auch § 312 Abs. 1a BGB nF, der bestimmt, dass die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 327 ff. BGB nF sowie die bisher gängigen Verbraucherschutzvorschriften auch Anwendung finden, wenn kein Entgelt vom Verbraucher gezahlt wird, sondern der Verbraucher als Gegenleistung seine personenbezogenen Daten bereitstellt, also mit diesen „bezahlt“.

Außerdem wichtig: Änderungen bei Fristen und Garantien

Bei Rücktritt, Minderung und Schadensersatz ist kein ausdrückliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers mehr erforderlich. Vielmehr beginnt der Fristlauf automatisch ab Mitteilung des Mangels an den Verkäufer.


Zudem verlängert sich die Verjährung. Im bisherigen Kaufmängelgewährleistungsrecht für bewegliche Sachen galt nach § 438 BGB eine Regelverjährung von zwei Jahren.


Ab 1.1.2022 verlängern sich diese zwei Jahre um zwei Monate ab Kenntnis des Mangels. Teilt also der Käufer dem Verkäufer einen Mangel am letzten Tag der zweijährigen Verjährungsfrist mit, läuft die Verjährungsfrist weitere zwei Monate, also insgesamt 26 Monate.


Hinzu kommt eine Verlängerung der Frist für die Vermutung des Vorliegens eines Mangels schon bei Gefahrübergang bei Verbraucherverträgen gemäß § 477 BGB: ab 1.1.2022 gilt diese Vermutung ein Jahr (statt bisher sechs Monate) ab Gefahrübergang.


Bei Garantieerklärungen wird die Informationspflicht seitens des Unternehmers verschärft: Dem Verbraucher muss die Erklärung in Zukunft auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Außerdem muss deutlich hervorgehen, dass bestehende gesetzliche Gewährleistungsrechte unberührt bleiben und deren Inanspruchnahme unentgeltlich ist.

Was ist jetzt zu tun?

Unternehmern ist zu empfehlen, ihr Produktangebot auf die neuen Regelungen zu untersuchen und ggf. Vertragsvorlagen und AGB anpassen zu lassen. Dabei ist vor allem auf den neuen Sachmangelbegriff im Kaufrecht zu achten sowie auf die Aktualisierungspflicht bei digitalen Produkten und den Umfang der Informationspflichten.


Unter Umständen sollten neue Verhandlungen zwischen Händler und Hersteller im Hinblick auf Lieferketten und Aktualisierungsregelungen ausgehandelt und betriebliche Abläufe angepasst werden.


Von einem nachteiligen Abweichen von den neuen Vorgaben gegenüber Verbrauchern, z.B. in AGB, ist unbedingt abzuraten, da dies unzulässig ist und einer AGB-Kontrolle nicht standhalten wird.

Erstellt im Dezember 2021 unter Mitarbeit von Frau Daniela Lenz, wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Bitte richten Sie Ihre Fragen telefonisch oder über unser Kontaktformular an uns.