News & Fachbeiträge

Die Rechtsprechung definiert regelmäßig die einzelnen gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere im IT-Recht und Datenschutz, aber auch in anderen Rechtsgebieten, müssen die Gerichte die Gesetze den ständigen Weiterentwicklungen anpassen und zum Teil neu definieren. Wir verfolgen die Rechtsprechung und geben unseren Mandanten praktische Hinweise zur Umsetzung.

 

In unseren News/Rechtstipps stellen wir regelmäßig eine Auswahl von diesen rechtlichen Entwicklungen für Sie zusammen.

Kategorieübersicht

Digitales Kaufrecht 2022 – Was ist neu, warum und ab wann gilt es?

Pünktlich zum Jahreswechsel 2022 sind weitreichende Gesetzesänderungen im Kaufrecht in Kraft getreten. An dieser Stelle informieren wir Sie, was sich geändert hat und welche Konsequenzen daraus folgen.

 

Beachte: Die Änderungen gelten ab 1.1.2022 – sind also bereits in Kraft!

Aus welchem Grund wird das Kaufrecht geändert?

Mit den Gesetzesänderungen setzt der deutsche Gesetzgeber zwei europäische Richtlinien um:


Die europäische Warenkauf-Richtlinie (Richtlinie EU/2019/771, WKRL), welche die bisher geltende europäische Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie ersetzt, die das deutsche Kaufrecht in den letzten Jahren maßgeblich geprägt hat.


Und die Digitale-Inhalte-Richtlinie (Richtlinie EU/2019/770 , DIDRL), die der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung tragen soll.


Das Ziel beider Richtlinien ist die Angleichung des Kaufrechts im Hinblick auf den Handel mit digitalen Produkten innerhalb der EU, um für ein hohes und vergleichbares Verbraucherschutzniveau zu sorgen.

In welchen Fällen ist eine Sache mangelhaft?

Der Sachmangelbegriff aus § 434 BGB alte Fassung hat sich maßgeblich geändert: Während es früher darauf ankam, was die Parteien vereinbart hatten, gilt ein Produkt nach dem neuen Sachmangelbegriff auch als mangelhaft, wenn es zwar die vereinbarte Beschaffenheit hat, aber nicht den typischen Anforderungen an ein solches Produkt gerecht wird. Vielmehr muss das Produkt kumulativ den subjektiven Anforderungen (vereinbarte Beschaffenheit), den objektiven Anforderungen (typische Anforderungen) und den Montageanforderungen von § 434 BGB neue Fassung entsprechen. Dabei gibt das Gesetz selbst vor, wie diese Anforderungen auszufüllen/zu erfüllen sind.


Die subjektiven Anforderungen sind erfüllt, wenn das Produkt die vereinbarte Beschaffenheit hinsichtlich Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität hat, sich für die vorausgesetzte Verwendung eignet und mit dem vereinbarten Zubehör einschließlich aller erforderlichen (Montage-/Installations-)Anleitungen an den Verbraucher übergeben wird.


Die objektiven Anforderungen bestehen dann darin, dass sich das Produkt auch für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei vergleichbaren Produkten üblich ist und erwartet werden kann, insbesondere, weil sie in einer öffentlichen Werbeaussage getätigt wurde – und zwar nicht nur vom Verkäufer selbst, sondern auch vom Hersteller.

Mangelhaftes Produkt – was ändert sich bei der Nacherfüllung?

Verlangt der Käufer vom Verkäufer Nacherfüllung, weil das erworbene Produkt einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB aufweist, ist seit 1.1.2022 folgendes zu beachten:


Der Verkäufer ist verpflichtet die mangelhafte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen (§ 439 Abs. 6 S. 2 BGB). Um dem Verkäufer die Nacherfüllung zu erleichtern, wird der Käufer ausdrücklich verpflichtet, dem Verkäufer die Kaufsache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen (§ 439 Abs. 5 BGB).


Die Neuerungen in § 439 BGB gelten auch im B2B-Bereich, sind also nicht auf Verbraucherverträge beschränkt.


Beachte: Ist der Käufer allerdings Verbraucher, muss gemäß § 475 Abs. 5 BGB die Nichterfüllung in einer für den Verbraucher möglichst schonenden Weise, also ohne erhebliche Unannehmlichkeiten und unter Berücksichtigung des Vertragszwecks, erfolgen.

Der Verkäufer hat nacherfüllt – welche Neuerungen gibt es beim Regress?

Wie bisher gilt mit § 445a BGB ,dass der Verkäufer von seinem Lieferanten Regress nehmen kann. Neu ist, dass dies auch bei einer Verletzung der Aktualisierungspflicht aus § 475b Abs. 4 BGB für digitale Produkte gilt, wenn der Verkäufer auf Dienstleistungen des Herstellers zur Erfüllung der eigenen Pflicht zurückgreift.


Konkret bedeutet das: Moniert der Endkunde, dass beispielsweise ein Sicherheitsupdate nicht rechtzeitig vom Verkäufer bereitgestellt wurde, der Verkäufer sich jedoch den Updates des Herstellers angeschlossen hat, ist zwar der Verkäufer zur Bereitstellung verpflichtet, kann aber beim Hersteller Regress nehmen, soweit dieser das Sicherheitsupdate nicht rechtszeitig geliefert hat.


Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Streichung der zeitlichen Haftungsbegrenzung von 5 Jahren aus § 445b Abs. 2 S. 2 BGB alte Fassung (aF).

 

Lesen Sie zu den neuen Regelungen zu digitalen Produkten unbedingt unseren Artikel „Digitalisierung 2022 – das Gesetz passt sich an“.

Der Kunde ist Verbraucher – worauf müssen Unternehmer besonders achten?

Auch die Verbraucherrechte werden durch die neuen Gesetzesänderungen weiter gestärkt.


§ 474 BGB wird dahingehend modifiziert, dass es sich nicht mehr um eine bewegliche Sache, sondern um Ware handeln muss, was der Digitalisierung Rechnung trägt.


Mit § 475 Abs. 3 BGB gilt ab sofort, dass die Kenntnis eines Verbrauchers von der Mangelhaftigkeit der Ware seine Gewährleistungsrechte nicht mehr ausschließt.
Etwas anderes gilt gem. § 476 Abs. 1 BGB nur, wenn der Käufer vor Vertragsschluss auf einen Mangel hingewiesen wird und die daraus resultierende Abweichung von den objektiven Anforderungen ausdrücklich im Vertrag vereinbart wird. Gleiches gilt laut § 476 Abs. 2 S. 2 BGB vor Vertragsschluss für eine Verkürzung der Verjährungsfrist.


Jedoch wird die Beweislastumkehr aus § 477 BGB von 6 Monaten auf 1 Jahr verlängert. Tritt also ein Sachmangel beim Endkunden innerhalb des ersten Jahres nach Kauf auf, wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Der Verkäufer müsste dann beweisen, dass der Mangel erst nachträglich aufgetreten ist.

Erstellt am 17. Dezember 2021 unter Mitarbeit von Frau Daniela Lenz, wissenschaftliche Mitarbeiterin.

 

Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Bitte richten Sie Ihre Fragen telefonisch oder über unser Kontaktformular an uns.